Der Knacks

Shut Down – Der Knacks

Eine post-coronapolitische Wochenend-Einladung von Theater Arbeit Duisburg | TAD ins Lokal Harmonie

 

„There’s a crack in everything / that’s how the light gets in“ (L. Cohen)

Am Ostersamstag, 8. April 2023 wurden in Deutschland die letzten Sondermaßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus SARS Cov2 offiziell beendet. 3 Jahre nach Einführung der ersten. Endlich.

Auf diesen Zeitpunkt haben wohl alle gewartet. Wir noch einmal besonders: Für die Veröffentlichung unserer Recherche-Arbeit "Shut Down – Der Knacks", die wir im Mai 2020 begonnen haben mit dem Ziel, sie im Herbst 2020 ("wenn alles vorbei ist ...") zur Diskussion zu stellen. Es kam anders. Die Veröffentlichung erfolgt so erst und genau jetzt.

Unzeitgemäß. Denn inzwischen gab es ja eine neue "Zeitenwende". Von der davor haben viele (uns eingeschlossen) eigentlich die Pappe auf. Und das Ende der Corona-Maßnahmen mündete nicht in der von vielen erhofften alten Normalität, sondern in mehrere neue, aktuelle Krisen. Aber u.E. geschah in der "Corona-Zeit" sehr vieles, sehr unterschiedlich Wahrgenommenes und Beurteiltes, was einer rückblickenden Betrachtung und Reflexion und v.a. Gesprächen darüber noch harrt und lohnt und Not tut.

 

Und also laden wir, Theater Arbeit Duisburg – TAD, genau hierzu am Wochenende SA 22. + SO 23. April je von 15 Uhr bis 21 Uhr ins Lokal Harmonie ein.

Zeitplan:

SA 22.04., 15-21 Uhr: Ausstellung/Installation, Lese- und Gesprächsstation im EG + 1. OG des Lokal Harmonie

SA 22.04., 19 Uhr: Film-Musik-Film-Performance von und mit Harald Schulte

SA 22.04., 20 Uhr: Live- und Elektro-Musik-Performance von und mit Jan Arlt

SO 23.04., 15-21 Uhr: Ausstellung/Installation, Lese- und Gesprächsstation im EG + 1. OG des Lokal Harmonie

SO 23.04., 18 Uhr: Performance von und mit Marita Bullmann

 

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Ein künstlerischer Beitrag zur Ausstellung "Shut Down – Der Knacks" – (c) Christina Böckler (2020)

 

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Hintergrund:

Stella Cristofolini und Stefan Schroer (TAD, Mitbegründer*innen des Lokal Harmonie), erlebten den März & April 2020 getrennt in Berlin und im Ruhrgebiet. Beide wünschten sich zuvor eine Entschleunigung, insbesondere auch für ihre künstlerische Arbeit: weniger Produktion, Veröffentlichung, Projektmanagement; mehr Reflexion, zweckfreies Tun, Pause von permanenter ökonomischer Verantwortung auch für andere. Das gab es nun als gesetzliche Verordnung. Damit anders als erträumt.

Für Stefan Schroer entstand keine Ruhe, sondern ein Erschrecken über die Schnelligkeit der politischen Entscheidungen, über radikale Grundrechts- und sogar Diskussionsbeschränkungen im Namen einer Solidarität mit den Schwächsten unserer Gesellschaft, die aber – wie die auf Lesbos kasernierten Geflüchteten – isoliert und aus dem öffentlichen Diskurs wie individuellen Bewusstsein nun noch einmal mehr verdrängt wurden.

Stella Cristofolini konnte zunächst besser die verordnete Ruhe als die für sich selbst erhoffte annehmen und nutzen. Zunehmend entstand auch bei ihr eine Unruhe aufgrund der gesellschaftlichen Dimension dieser staatlich verordneten Entschleunigung, sie richtete ihr Denken erneut nach außen.

Was passiert(e) hier gerade? Was ist, was war das? Eine Wende? Ein Bruch?

Was entstand dadurch? Ein Riss? Ein Knacks?

Es geht um ähnliche, doch auch extrem unterschiedliche Wahrnehmungen und Selbstreflexionen der und in der Coronazeit: um Verunsicherung, Verwundbarkeit, Ernüchterung, Erschütterung, Mü(n)digkeit, Verantwortung, Freiheit (als Einsicht in die Notwendigkeit?). Und zuletzt auch um Zukunftserwartungen: Endete hier etwas? Was? Beginnt etwas Neues? Wie?

Dies war die Situation im Frühjahr 2020.

Und hieraus entstand der Plan: Wenn allgemein das Leben wieder schneller und gemeinschaftlicher wird, wenn die Theater (auch das eigene Lokal Harmonie) wieder öffnen, generieren Stella Cristofolini und Stefan Schroer ihren eigenen Shut Down, begeben sich in Klausur und stellen zunächst sich jene o.g. Fragen.

Vorher schon fragen sie andere, per Brief: befreundete Künstler*innen & Aktivist*innen, mit denen sie in den Jahren zuvor zusammenarbeiteten, aus dem Ruhrgebiet, aus Berlin und aus dem Ausland (Italien, Griechenland, Syrien, Osteuropa, Südamerika).

Sie archivieren und sortieren die so erhaltenen Statements, Stimmen, Bilder, Objekte; und sie arrangieren das Material final zu einer intersubjektiv entstandenen polyphonen Installation und Erzählung aus der Zeit des Shut Downs.

Der Plan ging nicht auf, weil der Shut Down 2020 kein einmaliger und kurzer blieb, es folgten weitere, sogar eine Ausgangssperre, Impf-Verordnungen, ein permanenter Corona-Ausnahmezustand.

Die Befragungen wurden dennoch durchgeführt, wir erhielten viele und sehr diverse Antworten. Im Sommer 2021 wurden sie bereits in einer Ausstellung in Berlin präsentiert.

Dies aber geschah in der fortgesetzten Corona-Zeit. Ein privater Lockdown zum Zweck des Rückblicks auf diese Zeit war bis dato nicht möglich, weil sie andauerte. Nun erst ist sie vorbei. Im öffentlichen Diskurs und im Bewusstsein der meisten Menschen hat dieses Ende zuvor bereits schon stattgefunden. Neue Krisen (Krieg in Europa, Energieversorgungssorgen, Energiepreissteigerungen, Inflation, neue Verarmungen, wiedererlangtes Bewusstsein zur Dimension des Klimawandels, politische Kämpfe zu diesem existentiellen Thema etc.) überlagern und verdrängen zunehmend das vorher omnipräsente Corona-Thema.

Für uns aber entstand die Zeit, nach den Shut Downs für alle in den persönlichen rückblickenden zu gehen und an einer (von hoffentlich sehr vielen) Reflexion(en) dieser Zeit zu arbeiten und sie final öffentlich zu machen.

Primäres Arbeitsmaterial sind weiterhin die 2020 erhaltenenen Antworten auf unsere Fragen. Jedoch ist danach vieles noch geschehen, was nicht nur unsere Sichtweisen veränderte, sondern auch die unserer unsere Fragen beantwortenden Partner*innen. In den letzten Monaten haben wir von ihnen neue, aktuelle Antworten erfragt und erhalten und auch konzeptionell an Aktualisierungen unserer geplanten Veröffentlichung gearbeitet.

Öffentlich werden die Ergebnisse unserer Arbeit nun am SA 22. und SO 23. April 2023 auf zwei Etagen im Lokal Harmonie.

Dann redet endlich offiziell keine*r mehr über Corona.

Aber wir tun es noch ein – nur vorerst – letztes Mal.

 

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Ein künstlerischer Beitrag zur Ausstellung "Shut Down – Der Knacks" – (c) Sarah Berndt (2020)

 

Wir bedanken uns sehr bei allen inhaltlich und künstlerisch Mitwirkenden!

Ebenso sehr danken wir unserem Projektförderer Kunststiftung NRW sowie dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen für ein Stefan Schroer (TAD & Lokal Harmonie) gewährtes Künstler-Stipendium, mit dessen Hilfe die Neu-Konzeption und -Arbeit für "Shut down – Der Knacks" in 2022 ermöglicht wurde.